Montag, 11. Mai 2020

Ungeordnete Gedanken über die verschwörerische Mitte (reden wir mal über Analogien)


Wenn derzeit von der gesellschaftlichen Mitte die Rede ist, die sich auf den „Hygienedemos“ von Rechtextremen vereinnahmen lasse, stutze ich. Wenn das die Mitte ist, die sich bereitwillig aberwitzigen, völlig kruden, wissenschaftsfeindlichen, antisemitischen Thesen hingibt, dann haben wir ein Problem mit der Mitte. Ich sehe mir die Videos im Netz an, die Gesichter derer, die interviewt werden und die sich über die Einschränkung ihrer Grundrechte, ihrer (Impf- und Einkaufs-)Freiheit durch den bösen Staat empören: Und ich kann nicht umhin, ich sehe in diesen Gesichter die beleidigten Gesichter ihrer (in der einen oder anderen Form) Nazi-Eltern-, Groß- oder inzwischen Urgroßeltern, die sich nach 1945 betrogen fühlten, weil sei den Krieg entgegen aller Versprechungen nun doch verloren hatten, die sich ungerecht behandelt fühlten, weil sie doch auch gelitten hatten und nur eines wollten: die größten Opfer sein, nur um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, dass sie Täter gewesen waren. Die auch lieber nirgendwo hin schauten, nicht in die Länder, die sie bombardiert, ausgeplündert oder ausgehungert hatten und denen es nach dem Krieg nun auch nicht gerade gut ging, und vor allem nicht auf den industriellen Massenmord, der heute als Shoah bezeichnet wird und dessen Rädchen oder Triebwerke sie gewesen waren. Die Demokratie (in der Brd) empfanden sie als auferzwungen, arrangierten sich irgendwann mir ihr, weil sie ihnen Wohlstand brachte. Den Sozialismus wohl ebenso, und wenn der zwar keinen Wohlstand im Sinne der Brd brachte, so doch immer eine offizielle „Entlastung“, auf der richtigen Seite gestanden zu haben (auch wenn das für die meisten Familien vermutlich eher nicht der Fall gewesen war). 
Heute wie damals: Viel Gefühltes, wenig Fakten, bzw. deren Leugnung.
Und ich weiß ja: Ab dem 9.5.1945 die Bemühungen, den NS und die Shoah zu relativieren oder zu negieren nie abgerissen – trotzdem muss ich schlucken, dass in 2020 so laut und hörbar die Corona-Maßnahmen mit dem Ermächtigungsgesetz verglichen werden, die Zeit nach Corona mit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, Mengele und „Menschenexperimente“ und „Rassegesetze“ in Analogie zur heutigen Situation gesetzt, ja, sogar Armbinden mit gelben Sterne getragen werden!!!! (Mir lässt schon das Wort „Hygiene“ die Haare zu Berge stehen) Ganz zu schweigen von dem klassisch verschwörungsideologischen Topos der „jüdischen Weltverschwörung“, nach dessen Muster sich der Bill-Gates-Hass manifestiert … Der Boden, auf dem sich die Mitte bewegt, ist offenbar immer noch so fruchtbar, dass diese „Reflexe“ in dieser Krisensituation sofort abrufbar sind … also fest verankert sind im kollektiven Gedächtnis und den einzelnen Körpern. Uff, das soll die Mitte sein? Und, reden wir mal über Analogien – sie wollen vermeintlich staatskritisch sein, laufen aber jemandem hinterher, der ein „Reich des Lichts“ gründen will??? Klingelt da nicht was in den Ohren? … wtf.

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