Samstag, 24. Mai 2014

Tipp: TTIP abwählen (Na ja. Man kann es zumindest versuchen)



Von Ttip hörte ich erstmals im vergangenen Jahr. Als ich begann, mich damit zu beschäftigen, wurde mir die Dimension des Abkommens klar, die weit über den in diesem Lande immer wieder angeführten gefährdeten Umwelt- und Verbraucherschutz hinausgeht. Schaut über den Biotellerrand hinaus, es geht um mehr! Und da morgen Europawahl ist, ist das die Gelegenheit, sich noch einmal sehr genau anzuschauen, was welche Partei zum Thema Ttip zu sagen hat.
 
Hinter wohlverschlossenen Türen wird also, das ist immerhin bekannt, über eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA debattiert, dem Transatlantic Trade and Investement Partnership (TTIP). Zu dieser „Partnerschaft“ würde, wenn sie Wirklichkeit würde, ein unter Ausschluss der demokratischen Öffentlichkeit ausgehandeltes Investor-State-Dispute-Settlement (ISDS) gehören, ein Abkommen, dass es Unternehmen erlaubt, Staaten vor einem quasi privaten, keiner demokratischen Kontrolle unterworfenen Schiedsgericht zu verklagen, wenn ihre Gesetzeslage erwartete Gewinne aus in diesen Staaten getätigten Investitionen mindert oder verhindert. Der verklagte Staat kann dann zwischen der Aufhebung der „Hemmnisse“ oder einem millionenschweren Schadensersatz wählen. Werden nun die „Hemmnisse“ aufgehoben, könnte die von den G20-Staaten unterzeichnete standstill-Klausel in Kraft treten, die besagt, dass der aktuelle Stand des Freihandels nicht wieder unterschritten werden darf. Anders gesagt: Würden zum Beispiel bestimmte Arbeitsschutzgesetze ausgehebelt, weil sie sich gewinnmindernd für das klagenden Unternehmen auswirken, dürften sie später, Arbeitskampf hin oder her, nicht wieder eingeführt werden.

Wenn das, was hinter hermetisch abgeschlossenen Türen verhandelt wird, Erfolg hat im Sinne der Verhandler, so hat das für Europa viel weitreichendere Konsequenzen als die immer wieder an erster Stelle genannte Chlorhühncheninvasion aus den USA: Es bedeutet, dass zukünftig alle politischen Aktivitäten und demokratisch möglichen Strukturen – angefangen beim persönlichen politischen Engagement über NGOs, Gewerkschaften, Gesetze, nationale Verfassungen - obsolet sind. Arbeitsrecht, Sozialgesetzgebung, Buchpreisbindung, Mietrecht, Umweltschutz, Verbraucherschutz u.v.m. werden der Prämisse des privaten Gewinns vertraglich unterworfen, Staaten geplündert. Das ist nur konsequent im Sinne des neoliberalen Privatisierungsmantra: Nachdem schon private Unternehmen in Form von Ratingagenturen über das Wohl und Wehe von Staaten entscheiden, wird nun auch die Judikative in private Hände gegeben.

Schiedsgerichte, die Unternehmen vor dem Zugriff von Staaten schützen soll, sind nichts Neues, sondern wurden Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Der Rückgriff auf eine solche Struktur ist in einer immer besser vernetzten Welt allerdings zunehmend interessant geworden, und so haben diese „Verfahren“ in den letzten 10 Jahren rasant zugenommen. Deutschland zum Beispiel wird gerade von Vattenfall vor dem ICSIB verklagt (International Centre for Settlement an Investment Disputes), weil der Atomausstieg nun doch schneller kam als angekündigt. Deutschland wiederum hat den entsprechenden Vertrag unterschrieben, um seinen Unternehmen genau solche Klagen in anderen Ländern zu ermöglichen, in erster Linie in Ländern der so genannten dritten Welt; es überrascht nicht, dass westliche industrialisierte Länder weitaus seltener vors Schiedsgericht gezerrt werden. 

Es gibt immer mehr Organisationen, die das geplante Freihandelsabkommen kritisieren. Zunächst geht es darum, den Inhalt des Abkommens im Detail überhaupt erst einmal öffentlich zu machen und die Abgeordneten der Parlamente an ihre Aufgabe zu erinnern, sich zu informieren, bevor sie abstimmen. Denn bevor das TTIP unterzeichnet wird, werden - der Form halber - die nationalen Parlamente noch einmal befragt. Nur dumm, dass die derzeitige Opposition mit ihren unter 25% nicht einmal Untersuchungsausschüsse einfordern oder Verfassungsklagen in die Gänge bringen kann. Aber: wer weiß. Es kann sich lohnen, die „eigenen“ Abgeordneten anzuschreiben oder sich gegen das TTIP zu engagieren. Denn warum lassen sich souveräne Staaten freiwillig auf diese „public private partnership“ der ganz großen Art ein, die sie am Ende ihrer Souveränität beraubt, wenn nicht deshalb, weil sie eben zwar strukturell souverän, personell jedoch ganz und gar nicht unabhängig sind (vgl. Lobbyarbeit, Korruption). Dagegen hilft (vielleicht) Information und Öffentlichkeit. Die Frage wäre aber auch: Wer zwingt einen Staat dazu, sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen, auch wenn er den Vertrag unterzeichnet hat? Die ewige Standortkeule? Wenn es keine Instanz gibt, die einen solchen Vertrag als sittenwidrig erklären könnte, so gibt es auch keine exekutivähnliche Instanz, die die Einhaltung des Vertrages erzwingen kann. Es sei denn, Frontex würde mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Oder die Mafia.

Informationen zum Thema finden sich hier:





Der Vollständigkeit halber unter diesem Link, was die Europäische Kommission zum TTIP „in der Nussschale“ zu berichten weiß:



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