Von Ttip hörte ich erstmals
im vergangenen Jahr. Als ich begann, mich damit zu beschäftigen, wurde mir die
Dimension des Abkommens klar, die weit über den in diesem Lande immer wieder
angeführten gefährdeten Umwelt- und Verbraucherschutz hinausgeht. Schaut über
den Biotellerrand hinaus, es geht um mehr! Und da morgen Europawahl ist, ist
das die Gelegenheit, sich noch einmal sehr genau anzuschauen, was welche Partei
zum Thema Ttip zu sagen hat.
Hinter
wohlverschlossenen Türen wird also, das ist immerhin bekannt, über eine
Freihandelszone zwischen der EU und den USA debattiert, dem Transatlantic Trade and Investement
Partnership (TTIP). Zu dieser „Partnerschaft“ würde, wenn sie Wirklichkeit
würde, ein unter Ausschluss der demokratischen Öffentlichkeit ausgehandeltes Investor-State-Dispute-Settlement (ISDS)
gehören, ein Abkommen, dass es Unternehmen erlaubt, Staaten vor einem quasi privaten,
keiner demokratischen Kontrolle unterworfenen Schiedsgericht zu verklagen, wenn
ihre Gesetzeslage erwartete Gewinne aus in diesen Staaten getätigten
Investitionen mindert oder verhindert. Der verklagte Staat kann dann zwischen der
Aufhebung der „Hemmnisse“ oder einem millionenschweren Schadensersatz wählen. Werden
nun die „Hemmnisse“ aufgehoben, könnte die von den G20-Staaten unterzeichnete standstill-Klausel in Kraft treten, die
besagt, dass der aktuelle Stand des Freihandels nicht wieder unterschritten
werden darf. Anders gesagt: Würden zum Beispiel bestimmte Arbeitsschutzgesetze
ausgehebelt, weil sie sich gewinnmindernd für das klagenden Unternehmen auswirken,
dürften sie später, Arbeitskampf hin oder her, nicht wieder eingeführt werden.
Wenn das, was hinter
hermetisch abgeschlossenen Türen verhandelt wird, Erfolg hat im Sinne der
Verhandler, so hat das für Europa viel weitreichendere Konsequenzen als die
immer wieder an erster Stelle genannte Chlorhühncheninvasion aus den USA: Es
bedeutet, dass zukünftig alle politischen Aktivitäten und demokratisch
möglichen Strukturen – angefangen beim persönlichen politischen Engagement über
NGOs, Gewerkschaften, Gesetze, nationale Verfassungen - obsolet sind.
Arbeitsrecht, Sozialgesetzgebung, Buchpreisbindung, Mietrecht, Umweltschutz,
Verbraucherschutz u.v.m. werden der Prämisse des privaten Gewinns vertraglich
unterworfen, Staaten geplündert. Das ist nur konsequent im Sinne des
neoliberalen Privatisierungsmantra: Nachdem schon private Unternehmen in Form
von Ratingagenturen über das Wohl und Wehe von Staaten entscheiden, wird nun auch
die Judikative in private Hände gegeben.
Schiedsgerichte, die
Unternehmen vor dem Zugriff von Staaten schützen soll, sind nichts Neues,
sondern wurden Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Der Rückgriff auf eine
solche Struktur ist in einer immer besser vernetzten Welt allerdings zunehmend
interessant geworden, und so haben diese „Verfahren“ in den letzten 10 Jahren
rasant zugenommen. Deutschland zum Beispiel wird gerade von Vattenfall vor dem
ICSIB verklagt (International Centre for Settlement an Investment Disputes), weil
der Atomausstieg nun doch schneller kam als angekündigt. Deutschland wiederum
hat den entsprechenden Vertrag unterschrieben, um seinen Unternehmen genau
solche Klagen in anderen Ländern zu ermöglichen, in erster Linie in Ländern der
so genannten dritten Welt; es überrascht nicht, dass westliche
industrialisierte Länder weitaus seltener vors Schiedsgericht gezerrt werden.
Es gibt immer mehr
Organisationen, die das geplante Freihandelsabkommen kritisieren. Zunächst geht
es darum, den Inhalt des Abkommens im Detail überhaupt erst einmal öffentlich
zu machen und die Abgeordneten der Parlamente an ihre Aufgabe zu erinnern, sich
zu informieren, bevor sie abstimmen. Denn bevor das TTIP unterzeichnet wird,
werden - der Form halber - die nationalen Parlamente noch einmal befragt. Nur
dumm, dass die derzeitige Opposition mit ihren unter 25% nicht einmal
Untersuchungsausschüsse einfordern oder Verfassungsklagen in die Gänge bringen
kann. Aber: wer weiß. Es kann sich lohnen, die „eigenen“ Abgeordneten
anzuschreiben oder sich gegen das TTIP zu engagieren. Denn warum lassen sich
souveräne Staaten freiwillig auf diese „public private partnership“ der ganz
großen Art ein, die sie am Ende ihrer Souveränität beraubt, wenn nicht deshalb,
weil sie eben zwar strukturell souverän, personell jedoch ganz und gar nicht
unabhängig sind (vgl. Lobbyarbeit, Korruption). Dagegen hilft (vielleicht)
Information und Öffentlichkeit. Die Frage wäre aber auch: Wer zwingt einen
Staat dazu, sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen, auch wenn er den Vertrag
unterzeichnet hat? Die ewige Standortkeule? Wenn es keine Instanz gibt, die
einen solchen Vertrag als sittenwidrig erklären könnte, so gibt es auch keine
exekutivähnliche Instanz, die die Einhaltung des Vertrages erzwingen kann. Es
sei denn, Frontex würde mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Oder die Mafia.
Informationen zum
Thema finden sich hier:
Der Vollständigkeit
halber unter diesem Link, was die Europäische Kommission zum TTIP „in der
Nussschale“ zu berichten weiß:
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