Ihre Majestät, seit ich in diesem
von unbeugsamen Schwarzwäldern bevölkerten Städtchen im Kinzigtal angekommen
bin, wurde ich Zeugin eigentümlicher Bräuche. So kennen die Hausacher wohl
Wochentage und unterscheiden einen Donnerstag von einem Montag, doch das
scheinen die Überreste einer archaischen Zeitzählung zu sein: Für die Hausacher
ist immer Wochenende, statt happy hour
gibt es glückliche Tage, zu denen man hier Fasent sagt, und es kommt mir so vor,
als beuge sich dies Völkchen nicht einmal dem Schlaf. Gut möglich, dass das an
einem durchsichtigen Getränk liegt, das ein Pferd im Namen trägt – vermutlich
ein Pferdeschnaps –, oder an einem regionalen Ruf – Narri Narro –, mit dem sich
die Hausacher stets begrüßen, und der, so nehme ich an, magische Eigenschaften
besitzt. Wenn sie nicht Balladen oder Bänkellieder singend durch die
Wirtschaften ziehen, so versammeln sie sich nach Anbruch der Dunkelheit und
folgen einem Laternenmond durch die Straßen, wobei sie eine seltsam schräge, zauberhafte
Musik aus leeren Fässern, Topfdeckeln und Tröten – zu denen man hier Päpern
sagt – veranstalten, die sie in die Lage versetzt, auch bei dichtestem
Schneetreiben und eisiger Kälte stundenlang durch den Ort zu stapfen. Ihre
Majestät, gehörte ich nicht der schreibenden, sondern der komponierenden Zunft
an, ich komponierte auf der Stelle ein
Stück mit dem Titel „Große Katzenmusik“, das diese wundersamen Töne enthielte,
und widmete es den Hausachern. Und, Ihre Majestät, es gibt auch eine
Narrenmesse, die sich über leere Bänke nicht zu beklagen braucht und in der
eine Blaskapelle den Ton angibt. Der Pfarrer trägt eine bunte Kappe, predigt in
Reimen und hält seine Gemeinde dazu an, im Kanon zu singen. Über all dem liegt
das Klingeln und Klimpern der Glöckchen des äußerst kleidsamen, rotgelbgrünen Gewands
der Harlekine, zu denen man hier Hansele sagt. Ach, würden mir doch die Ohren
immer so klingen! Auch die anderen Gemeindemitglieder sind eigenwillig
gekleidet, überhaupt sind die Hausacher sehr modebewusst und veranstalteten
dieser Tage sogar eine Modenschau, zu der Mannequins aus der gesamten Region
anreisten und auf gewitzt gestalteten Laufstegen durchs Dorf gefahren wurden.
Ich staunte nicht schlecht, denn diese Schwarzwälder beugen sich offenbar auch
nicht dem Joch der Rentabilität, das im Rest Europas Unheil anrichtet, denn diese
Laufstege werden von den Stadtbewohnern freiwillig und enthusiastisch vor jeder
Modenschau erneut konzipiert und gezimmert! Vielleicht liegt das an den vielen
Handwerkern, die in dieses Städtchen zählt, 5% der Bevölkerung, 307 Männer und
Frauen legten am Montagmorgen ihre Arbeit nieder, eine Streikbeteiligung, die die
Gewerkschaften des Landes vor Neid erblassen lassen würde. Ihre Majestät, vielleicht
solltet Ihr die Hausacher Handwerker in Berlin engagieren, dann könnte es doch
noch etwas werden mit dem Flughafen, aber ich fürchte, die Hausacher Handwerker
sind mit dem hiesigen Schwimmbad beschäftigt. Oder sie vertreiben sich die Zeit
mit Literatur, in deren Namen, stellt Euch vor!, sie ihre Arbeit niederlegten,
überhaupt neigen die Hausacher dazu, in Reimen und Liedern zu sprechen, dass
man ganz närrisch davon wird. Ihre Majestät, sollte Euch das Berliner Treiben
einmal zu bunt werden, so rate ich Euch: Kommt nach Hausach, hier treiben sie‘s
noch bunter!
P.S. Die Hausacher haben mich zum
Narren gehalten: Die glücklichen Tage haben doch ein Ende. Gestern haben sie jammernd
und jaulend die Fasent durchs Städtchen zu Grabe getragen. Ich glaube, die
Hausacher lieben ihre Fasent wirklich sehr …
(Erschienen am 14.2. 2013 im Offenburger Tagblatt)
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