Hausach ist überall. Kaum war ich neulich in Berlin
angekommen, da begegnete mir schon Elfriede Ramsteiner, der die taz-Beilage "Kontext" einen
ausführlichen Bericht über ihren Kampf um faire Milchpreise widmete. In Leipzig
dann lief mir im Haus des Buches Alois Nebel über den Weg, den ich bereits im
vergangenen Sommer beim LeseLenz getroffen hatte. Und schließlich besuchte ich eine
Lesung in der Leipziger Lyrikbuchhandlung und traf dort unerwartet José F.A. Oliver. Das waren deutliche Zeichen: Hausach ließ mich nicht los. Nun wird
Hausach mich nicht los. Nicht solange der Frühling nicht eingezogen ist, und
ich die Berghänge habe grün werden sehen. Denn für die verbleibende Zeit habe
ich nichts vor, außer da zu sein und das zu tun, weswegen ich hier bin. Die
Übersetzungen sind abgegeben oder bis Mai auf Eis gelegt (der Wettergott möge
dies nicht allzu wörtlich nehmen und sich lieber an das Motto des kommenden
„Muettersproch-Stammtischs“ halten, der da lautet: „Noch Oschtere isch schu
immer Friejohr gsi“). Und so freue ich mich auf zwei Dinge: Auf den Frühling
und darauf, nach den bewegten ersten anderthalb Monaten einen Alltag zu haben. Ich
liebe meinen Alltag. Und wo auch immer ich mich aufhalte, richte ich es so
sein, dass er sich schnellst möglich einstellt. Das bedeutet nicht, immer und
überall die gleichen Dinge auf die gleiche Art zu tun. Im Gegenteil, es geht
darum, was ich tue und wie ich es tue der neuen Umgebung anzupassen, einen für
die neue Umgebung jeweils passenden Alltag zu erfinden. Das ist einer der
großen Reize am Anderswosein für mich. Dabei ist Alltag das Gegenteil von
Routine. Routine ist etwas, das mechanisch von der Hand geht. Etwas wie eine Gewohnheit,
die man nicht mehr wahrnimmt. In meinem Alltag widersetze ich mich der
Gewohnheit, ich freue mich jedes Mal von neuem über die kleinen, wiederholten
Glücksmomente, die er ausmacht: Den ersten Schluck Kaffee am Morgen, den
Moment, in dem ich mich an meinen Schreibtisch setze und den ganzen Tag vor mir
habe, die Mittagspause, hier in Hausach vielleicht draußen, an der Südseite des
Hauses, das Vorfeierabendbier, vielleicht schon bald (im Frühling!) in der
Sonne auf meiner Terrasse im Moolerhiisli, der Marktgang am Samstagmorgen, das Erkraxeln
des Berges hinterm Haus. Erst im Alltag finde ich Zeit und Muße für die nicht
alltäglichen Dinge: Spontan mit meinen Nachbarn im Gasthaus "d'Monika" essen zu
gehen, von der ich schon so oft gehört habe, eine Geburtstagseinladung
annehmen, ein Konzert, eine Lesung besuchen. Ich weiß allerdings auch, dass der
Alltag ein zartes Pflänzchen ist, dem vor lauter Nichtalltäglichem leicht die
Luft ausgeht. Ehe man sich’s versieht, ist‘s vorbei mit ihm. Und dann fängt das
Sehnen wieder an. Das Freuen darüber, wenn er sich einstellt usw. Es ist wie
mit dem Frühling. Wenn er nur käme.
(Erschienen im Offenburger Tagblatt vom 30.3.2013)
I love this post. Reminds me of what I had, what I don't have, and what I'll have again. :))
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