Sonntag, 9. November 2014

Nach dem Streik ist vor dem Streik



Nun, da der Lokführer-Streik vorbei ist, fahren weniger Züge als während des Streikes. Meine Ersatz-Zugverbindung  jedenfalls war bisher nicht mit einem roten Warndreieck versehen, jetzt heißt es, mein Zug werde wegen Bauarbeiten Verspätung haben. Die Bahn braucht bekanntlich keinen Streik für Verspätungen und Zugausfälle, das weiß man spätestens seit dem Winter 2010, als wegen Schnee und mangelnder Wartung das Bahnsystem zusammenbrach, und man mitten auf der Reise gebeten wurde, sich doch bitte bei den Fahrgästen der anderen Zughälfte auf den Schoß zu setzen; die Zughälfte, in der man gerade säße, würde für wiederum andere Fahrgäste auf anderen Strecken, deren Zug liegengeblieben war, benötigt. Wie viele Beziehungen wohl damals entstanden und zerbrochen sind?
Aber Spaß beiseite. Pünktlich zur Mauerfallfeier und somit zur Feier des Alleinherrschaftsanspruchs des Kapitalismus durften wir erleben, wie am Streikrecht verbal gesägt wird: Weselsky, der machthungrige etc., aber wenn die Bahn einen legalen Streik vor Gericht anficht und sogar noch in Berufung geht, ist das natürlich kein Machtspielchen. Nein, das geschieht im Namen der Kunden. Seit wann tut die Bahn etwas für ihre Kunden? Damit keine Missverständnisse aufkommen: 1) Ich bin regelmäßige und leidenschaftliche Bahnfahrerin. 2) Ich war vom Streik betroffen, sogar doppelt: mein lang ersehnter, 6-jähriger Besucher konnte nicht anreisen, und ich selbst habe heute noch eine lange Strecke vor mir (oben genannter Zug, der wegen Bauarbeiten Verspätung haben wird). 3) Ich bin sehr froh, dass die Mauer gefallen ist. Schon allein deshalb, weil ich sonst E. nicht kennengelernt hätte.
Aber ich bin den zwei Gerichten, die den Streik für legitim erklärten, zutiefst dankbar. Sie erteilen der Stimmungsmache der letzten Tage, Streik zu einer Frage der („volks-“) gefühlten Legitimität zu erklären, eine klare Absage! Streik ist und bleibt ein demokratisches Grundrecht!  Neulich las ich, Ronald Reagan habe 1981, kurz nach Amtsantritt, einen Fluglotsenstreik kurzerhand für illegal erklärt und 11000 Fluglotsen entlassen und mit lebenslangem Wiedereinstellungsverbot belegt. Ja, es ist so eine Sache mit der am heutigen Tage gefeierten Demokratie. Wenn es um Gewinne geht, ist sie dann schon auch mal nicht ganz so erwünscht …

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