Freitag, 12. Oktober 2012
Frieden in engen Grenzen
Der Friedensnobelpreis für die EU? Ist das ernst gemeint? An ihren Grenzen sieht sie's nämlich nicht so eng mit dem Frieden, die EU. Wer schippert des nachts auf dem Mittelmeer, es ist Frontex mit seinem Heer ...
Donnerstag, 11. Oktober 2012
Stellen der Schrift in deutscher Sprache nach
Auf der Lesung am vergangenen
Samstagabend im Rahmen der Veranstaltung fernsprechende
in der Lettrétage fragte der Moderator Jörg
Sundermeier Maria Cecilia Barbetta, Artur Becker und Yulia Marfutova: Würdet
ihr gern als deutsche Schriftsteller bezeichnet werden?
Kluge Frage, kluge Antwort der
Befragten: Wir verstehen uns als Schriftsteller deutscher Sprache.
Denn darum geht es: um die
Sprache, in der man seine Texte verfasst, als kleinstem (großen) gemeinsamen
Nenner. Einen anderen gibt es nicht. Es geht natürlich auch um Form, um Inhalt,
beides bekanntlich nicht von Sprache zu trennen, so wenig wie Biographie von
Sprache, Form, Inhalt zu trennen ist. Ein Begriff wie „Migrantenliteratur“
suggeriert jedoch, es gäbe an und in den darunter gefassten Texten etwas, das
sie nicht nur von anderen unterschiede, sondern auch untereinander unverkennbar
verbände. Gibt es einen gemeinsamen Nenner außer der Verwendung der deutschen Sprache
bei der Literatur von Deutschdeutschen?
Die beschworene Gemeinsamkeit
bezieht sich auf gesellschaftliche Aspekte, die zunächst einmal außerhalb der Literatur
liegen. Schnell landet man bei Kategorien wie Frauen-, Lesben-, Schwulen-,
Transgender-, Anders-Befähigten-, Neue Bundesländer-, jüdische Literatur,
Kategorien, die sich mit einfachen Fragen ad absurdum führen lassen: „Wenn ich als Lesbe über jemand heterosexuelles schreibe, ist
das dann noch Lesbenliteratur?“ „Wenn ich als jüdischer Schwuler schreibe, ist
das dann jüdische Literatur oder Schwulenliteratur?“
Welche Kriterien müssen für das
„Label“ Migrantenliteratur erfüllt sein? Muss man außerhalb von Deutschland
geboren sein? Gibt es ein Mindestalter, in dem man frühestens die deutsche Sprache erworben haben darf? Spielt es eine
Rolle, ob man seine Muttersprache überhaupt mehr als radebrechend spricht? Ob
der Vater Ausländer ist oder die Mutter, oder beide? Und, Deutschland ist nicht
gleich Deutschland, ob man aus Ost- oder Westdeutschland kommt? Was ist mit
einer eingewanderten Österreicherin, einem eingewanderten Schweizer deutscher
Sprache?
Schreibe ich Migrantenliteratur? Meine
erste Muttersprache ist nicht deutsch, ich habe auf Französisch sprechen und
lesen gelernt; ich bin mit und zwischen zwei Kulturen und Sprachen aufgewachsen,
und das spielt in meinen Texten oft eine Rolle; meine Mutter ist Ausländerin
(und ging in der brd der 60er Jahre ausschließlich in den damals noch seltenen
Supermärkten einkaufen, nur um nicht sprechen zu müssen und als Ausländerin
aufzufallen). Ja, mir ist manches in diesem Land fremd (wie anderen auch, wie
an anderen Ländern auch), ich fühle mich manchmal fremd – aber ich bin in
Deutschland zu Schule gegangen, bin auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden
von Deutschdeutschen, komme aus einem bücher-, vorlese-, lesebegeisterten Haushalt,
mit anderen Worten: Ich hatte alle Privilegien, die mir ein gute Bildung
ermöglichten. Was gern als kultureller Unterschied beschworen wird, ist meist
eine Frage der Privilegien (die man auch „Zugang zu Menschenrechten“ nennen
könnte, nur dass diese eben nicht für alle gelten). Jemand aus einem „bildungsfernen“ deutschdeutschen Haushalt (Bildung als ferne Insel) wird
es schwerer haben, Schriftsteller deutscher Sprache zu werden, als jemand mit
aus deutscher Sicht „ausländischen“ Eltern aus einem literaturbegeisterten
Haushalt.
Dies steht neben der Tatsache,
dass es im alltäglichen Leben sehr wohl einen Unterschied macht, ob ich einen
deutschen Pass besitze oder nicht, ob mein Aussehen dem Bild entspricht, das in
dieser Gesellschaft als „deutsch“ betrachtet wird, und ja, man traut in diesem
Land Nicht-Muttersprachlern nicht wirklich zu, einen „ordentlichen“ deutschen
Text zu verfassen … Mit anderen Worten, diese Gesellschaft (sagen wir: die
Welt) ist eine hierarchische, und das tückische an „Labeln“ (gern auch
„Identität“ genannt) ist ja, dass sie einerseits Bewusstsein für diese
Hierarchien schaffen wollen und können, dass sie sie aber zugleich zementieren.
Wie wäre es, wenn Kritiker die zu
besprechenden Texte ohne Namen, Photo oder biographische Daten bzgl. Herkunft,
Muttersprache, Geschlecht (u.a.) erhielten? Und einfach nur schrieben:
Schriftsteller deutscher Sprache? Schriftstellende deutscher Sprache? (Aber
dies ist wiederum eine andere Diskussion …) Stellen der Schrift in deutscher
Sprache nach?
Donnerstag, 4. Oktober 2012
Ja, ist es denn ein Wunder?
Ich bin immer wieder fassungslos, dass in der Diskussion um
zukünftige Renten bestimmte Rentenansprüche ganz selbstverständlich an die
Bedingung gekoppelt werden, privat vorgesorgt zu haben! Um vom Staat eine
bestimmte Leistung zu erhalten, wird man gezwungen, die Privatwirtschaft zu
bereichern. Ingo Schulze schreibt in seinem Essay „Unsere schönen neuen
Kleider. Gegen die marktkonforme Demokratie -- für demokratiekonforme Märkte“ (Hanser 2012): „Kann eine private Versicherung, die per se
verpflichtet ist, Gewinne zu machen, überhaupt im Interesse der Versicherten
sein?“
Warum ist (meines Wissens) noch nie darüber diskutiert
worden, einen zusätzlichen, staatlichen Rentenfonds einzurichten? Stattdessen
zahlt der Staat Bestechungsgeld dafür, dass seine Bürger ihr Geld zu privaten
Versicherern mit dem Nachnamen Riester tragen.
Ich weiß, ich sollte meine Fassung behalten oder sie längst
endgültig verloren haben, denn es handelt sich nur um ein Mosaiksteinchen in der
angestrebten Privatisierung so ziemlich aller Lebensbereiche, die da wären:
Krankenversicherung, Rentenversicherung, alle erdenklichen sonstigen
Versicherungen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Medien, Bibliotheken,
Kulturveranstaltungen und -institutionen, Kulturförderung, Forschung, Transportwesen
(Bahn, Bus, Flugzeug), Plätze, Straßen, Strände, Seen, Armeen, Nachtwächter und
andere Sicherheitsleute, Grenzsicherung (auch: der europäische Schutzwall gegen
Flüchtlinge genannt), habe ich was vergessen?
Gemeinwohl geht über Privatwohl? Das Private ist politisch?
Heutzutage wird die Politik privatisiert. Und zwar in großem Maße, denn die
derzeitige Politik in Europa läuft unter dem Deckmantel der „Sachzwänge“ darauf
hinaus, die Staaten so handlungsunfähig zu machen, dass sie klein beigeben und
nur noch, ja was? Organisatoren von freien Wahlen sind? Und damit den Beweis
erbringen, dass es sich noch um Demokratien handelt?
„Ja, ist es denn ein
Wunder?“ sang Nina Hagen, und nein, es ist kein Wunder, denn diejenigen, die in
Sachen Europapolitik die Entscheidungsmacht haben, brauchen ja irrwitziger Weise keinen
Staat (oder denken, sie brauchen ihn nicht): Sie sind zumeist wohlhabend genug, um ihre Kinder in private Schulen, in
privaten Musik-, Schwimm-, sonstigen Sportunterricht zu schicken, genug, um
sich in allen Bereichen privat zu versichern, um sich Bücher zu kaufen und
teure Tickets für Kulturveranstaltungen zu leisten, um Taxi zu fahren und in
Privatjets zu reisen, sich Wassergrundstücke zu kaufen, die sie hinter hohen Zäunen verbergen … habe ich was
vergessen?
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