Mittwoch, 14. November 2012

E-Books und Astronautennahrung



„In Zeiten des E-Book(s)“, lese ich gerade in einem Artikel über den open mike (dem vorgeworfen wird, in eben diesen Zeiten nicht zeitgemäß zu sein) … Aber was für E-Book-Zeiten denn? Welche Relevanz haben E-Books bisher im Buchverkauf? Wenn ich an die Vehemenz denke, mit der das Thema „E-Book“ auf der Frankfurter Buchmesse zum wichtigen Thema erklärt wurde, kann ich nicht umhin festzustellen: Hier will eine Lobby Apparate verkaufen. Und inszeniert eine Dringlichkeit, die de facto nicht existiert. Es gibt Liebhaber des E-Books, warum nicht, sie haben ihre Gründe, so wie ich meine Gründe habe, Liebhaberin des gedruckten Buches, vorzugsweise des Taschenbuches zu sein. Was mich irritiert, ist die Herablassung, mit der Argumente wie die folgenden quittiert werden: Ich mag das Buch riechen, betasten, will blättern können, will die Buchrücken in meinem Regal überfliegen, die Bücherstapel auf dem Boden von einem Platz an den anderen rücken können.
Die Sinnlichkeit des Buches ist etwas für Nostalgiker, stimmt’s? Schließlich sind das nur Äußerlichkeiten, es geht beim Buch doch um Inhalte! Wenn Sie dem zustimmen, so schlage ich vor, Sie ernähren sich zukünftig von Astronautennahrung. Und bitte keine Sehnsucht nach Wildbraten, Wein und Walnussdessert. Es geht hier um Inhalte. In den Tuben ist schließlich alles drin.

Montag, 12. November 2012

Wer Beethoven hört



Das Konzerthaus Berlin hatte im letzten Tip eine Werbe-Postkarte für den Beethoven-Marathon beigelegt:


Nesrin, Andrej, Samira, Cem, Amir, Galina, Florence, Mike, Elena, Jorge müssen draußen bleiben. Sie fallen nicht unter „alle“. Glauben ja auch nicht an die deutsche „Leitkultur“. Hören sowieso keinen Beethoven.  Oder sind sie möglicherweise unter „und Dich“ zusammengefasst? Das nennt man wohl Integrierungsverweigerung.

Sonntag, 11. November 2012

Unpolitisch ausgeschlossen



In Greifswald wurden in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag vergangener Woche sämtliche Stolpersteine aus dem Boden gerissen. „Wegen des geschichtsträchtigen Datums werde ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen“, so ein Polizeisprecher laut taz vom 10./11.11.12. Nicht ausgeschlossen? Ich verstehe ja, dass man mit Beschuldigungen vorsichtig sein muss. Aber in diesem Fall von „nicht ausgeschlossen“ zu sprechen, ist blanker Hohn. Und will uns der Sprecher sagen, an einem weniger „geschichtsträchtigen Datum“ wäre es nicht ausgeschlossen gewesen, dass es sich nur um einen Spaß handelt? Abgesehen davon: „unpolitisch“ (als vermuteter Gegensatz zu „politisch“) ist eine existierende Bezeichnung für einen nicht existierenden Sachverhalt.

Freitag, 12. Oktober 2012

Frieden in engen Grenzen

Der Friedensnobelpreis für die EU? Ist das ernst gemeint? An ihren Grenzen sieht sie's nämlich nicht so eng mit dem Frieden, die EU. Wer schippert des nachts auf dem Mittelmeer, es ist Frontex mit seinem Heer ...

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Stellen der Schrift in deutscher Sprache nach



Auf der Lesung am vergangenen Samstagabend im Rahmen der Veranstaltung fernsprechende in der Lettrétage fragte der Moderator Jörg Sundermeier Maria Cecilia Barbetta, Artur Becker und Yulia Marfutova: Würdet ihr gern als deutsche Schriftsteller bezeichnet werden?
Kluge Frage, kluge Antwort der Befragten: Wir verstehen uns als Schriftsteller deutscher Sprache.

Denn darum geht es: um die Sprache, in der man seine Texte verfasst, als kleinstem (großen) gemeinsamen Nenner. Einen anderen gibt es nicht. Es geht natürlich auch um Form, um Inhalt, beides bekanntlich nicht von Sprache zu trennen, so wenig wie Biographie von Sprache, Form, Inhalt zu trennen ist. Ein Begriff wie „Migrantenliteratur“ suggeriert jedoch, es gäbe an und in den darunter gefassten Texten etwas, das sie nicht nur von anderen unterschiede, sondern auch untereinander unverkennbar verbände. Gibt es einen gemeinsamen Nenner außer der Verwendung der deutschen Sprache bei der Literatur von Deutschdeutschen?

Die beschworene Gemeinsamkeit bezieht sich auf gesellschaftliche Aspekte, die zunächst einmal außerhalb der Literatur liegen. Schnell landet man bei Kategorien wie Frauen-, Lesben-, Schwulen-, Transgender-, Anders-Befähigten-, Neue Bundesländer-, jüdische Literatur, Kategorien, die sich mit einfachen Fragen ad absurdum führen lassen: „Wenn ich als Lesbe über jemand heterosexuelles schreibe, ist das dann noch Lesbenliteratur?“ „Wenn ich als jüdischer Schwuler schreibe, ist das dann jüdische Literatur oder Schwulenliteratur?“

Welche Kriterien müssen für das „Label“ Migrantenliteratur erfüllt sein? Muss man außerhalb von Deutschland geboren sein? Gibt es ein Mindestalter, in dem man frühestens die deutsche Sprache erworben haben darf? Spielt es eine Rolle, ob man seine Muttersprache überhaupt mehr als radebrechend spricht? Ob der Vater Ausländer ist oder die Mutter, oder beide? Und, Deutschland ist nicht gleich Deutschland, ob man aus Ost- oder Westdeutschland kommt? Was ist mit einer eingewanderten Österreicherin, einem eingewanderten Schweizer deutscher Sprache?

Schreibe ich Migrantenliteratur? Meine erste Muttersprache ist nicht deutsch, ich habe auf Französisch sprechen und lesen gelernt; ich bin mit und zwischen zwei Kulturen und Sprachen aufgewachsen, und das spielt in meinen Texten oft eine Rolle; meine Mutter ist Ausländerin (und ging in der brd der 60er Jahre ausschließlich in den damals noch seltenen Supermärkten einkaufen, nur um nicht sprechen zu müssen und als Ausländerin aufzufallen). Ja, mir ist manches in diesem Land fremd (wie anderen auch, wie an anderen Ländern auch), ich fühle mich manchmal fremd ­– aber ich bin in Deutschland zu Schule gegangen, bin auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden von Deutschdeutschen, komme aus einem bücher-, vorlese-, lesebegeisterten Haushalt, mit anderen Worten: Ich hatte alle Privilegien, die mir ein gute Bildung ermöglichten. Was gern als kultureller Unterschied beschworen wird, ist meist eine Frage der Privilegien (die man auch „Zugang zu Menschenrechten“ nennen könnte, nur dass diese eben nicht für alle gelten). Jemand aus einem „bildungsfernen“ deutschdeutschen Haushalt (Bildung als ferne Insel) wird es schwerer haben, Schriftsteller deutscher Sprache zu werden, als jemand mit aus deutscher Sicht „ausländischen“ Eltern aus einem literaturbegeisterten Haushalt.

Dies steht neben der Tatsache, dass es im alltäglichen Leben sehr wohl einen Unterschied macht, ob ich einen deutschen Pass besitze oder nicht, ob mein Aussehen dem Bild entspricht, das in dieser Gesellschaft als „deutsch“ betrachtet wird, und ja, man traut in diesem Land Nicht-Muttersprachlern nicht wirklich zu, einen „ordentlichen“ deutschen Text zu verfassen … Mit anderen Worten, diese Gesellschaft (sagen wir: die Welt) ist eine hierarchische, und das tückische an „Labeln“ (gern auch „Identität“ genannt) ist ja, dass sie einerseits Bewusstsein für diese Hierarchien schaffen wollen und können, dass sie sie aber zugleich zementieren.

Wie wäre es, wenn Kritiker die zu besprechenden Texte ohne Namen, Photo oder biographische Daten bzgl. Herkunft, Muttersprache, Geschlecht (u.a.) erhielten? Und einfach nur schrieben: Schriftsteller deutscher Sprache? Schriftstellende deutscher Sprache? (Aber dies ist wiederum eine andere Diskussion …) Stellen der Schrift in deutscher Sprache nach?








Donnerstag, 4. Oktober 2012

Ja, ist es denn ein Wunder?



Ich bin immer wieder fassungslos, dass in der Diskussion um zukünftige Renten bestimmte Rentenansprüche ganz selbstverständlich an die Bedingung gekoppelt werden, privat vorgesorgt zu haben! Um vom Staat eine bestimmte Leistung zu erhalten, wird man gezwungen, die Privatwirtschaft zu bereichern. Ingo Schulze schreibt in seinem Essay „Unsere schönen neuen Kleider. Gegen die marktkonforme Demokratie -- für demokratiekonforme Märkte“ (Hanser 2012): „Kann eine private Versicherung, die per se verpflichtet ist, Gewinne zu machen, überhaupt im Interesse der Versicherten sein?“


Warum ist (meines Wissens) noch nie darüber diskutiert worden, einen zusätzlichen, staatlichen Rentenfonds einzurichten? Stattdessen zahlt der Staat Bestechungsgeld dafür, dass seine Bürger ihr Geld zu privaten Versicherern mit dem Nachnamen Riester tragen.
Ich weiß, ich sollte meine Fassung behalten oder sie längst endgültig verloren haben, denn es handelt sich nur um ein Mosaiksteinchen in der angestrebten Privatisierung so ziemlich aller Lebensbereiche, die da wären: Krankenversicherung, Rentenversicherung, alle erdenklichen sonstigen Versicherungen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Medien, Bibliotheken, Kulturveranstaltungen und -institutionen, Kulturförderung, Forschung, Transportwesen (Bahn, Bus, Flugzeug), Plätze, Straßen, Strände, Seen, Armeen, Nachtwächter und andere Sicherheitsleute, Grenzsicherung (auch: der europäische Schutzwall gegen Flüchtlinge genannt), habe ich was vergessen?

Gemeinwohl geht über Privatwohl? Das Private ist politisch? Heutzutage wird die Politik privatisiert. Und zwar in großem Maße, denn die derzeitige Politik in Europa läuft unter dem Deckmantel der „Sachzwänge“ darauf hinaus, die Staaten so handlungsunfähig zu machen, dass sie klein beigeben und nur noch, ja was? Organisatoren von freien Wahlen sind? Und damit den Beweis erbringen, dass es sich noch um Demokratien handelt?

 „Ja, ist es denn ein Wunder?“ sang Nina Hagen, und nein, es ist kein Wunder, denn diejenigen, die in Sachen Europapolitik die Entscheidungsmacht haben, brauchen ja irrwitziger Weise keinen Staat (oder denken, sie brauchen ihn nicht): Sie sind zumeist wohlhabend genug, um ihre Kinder in private Schulen, in privaten Musik-, Schwimm-, sonstigen Sportunterricht zu schicken, genug, um sich in allen Bereichen privat zu versichern, um sich Bücher zu kaufen und teure Tickets für Kulturveranstaltungen zu leisten, um Taxi zu fahren und in Privatjets zu reisen, sich Wassergrundstücke zu kaufen, die sie hinter hohen Zäunen verbergen … habe ich was vergessen?

Mittwoch, 26. September 2012

Es kommt immer drauf an



Einer der Befragten zu Kohls Besuch in Bundestag sagte gestern, er sei beeindruckt gewesen, wie Kohl über die Tatsache hinweggesehen habe, dass er von Parteikollegen wegen der Spendenaffaire nicht besonders gut behandelt worden sei.

Wäre so ein Kommentar in einem anderen Zusammenhang möglich? Achtung Rhetorik: wäre er nicht, jedenfalls nicht in diesem: "Anlässlich der langen Nacht der Ladendiebe durfte Ladendieb Henrik Kraut aber dann doch die heiligen Hallen des Konsumtempels betreten. Er sah darüber hinweg, dass er jahrelang Hausverbot gehabt hatte und freute sich über die Einladung".

Oder wie sähe die Argumentation, mit der die Abgeltungssteuer eingeführt wurde, in einem anderen Kontext aus? Kleine Erläuterung: Seit 2009 führt die Bank 25 % Steuern auf Kapitalerträge ans Finanzamt ab, wo bis dahin die Bürgerinnen und Bürgern des Landes diese Erträge in der Steuererklärung selbst angaben (oder eben nicht). Das heißt, bis zu dieser Reform wurden Kapitalerträge mit dem gleichen Satz wie Erwerbseinkommen besteuert, nach heutiger Lage also bis max. 45%. Die Begründung, mit der diese potentiell fehlenden 20% Steuereinnahmen den Besserverdienenden geschenkt wurden, lautete: Besser 25% als Steuerbetrug und gar nichts.

"Werte Kundinnen und Kunden! Zukünftig erhalten Sie die Hälfte Ihrer Einkäufe gratis, um das Risiko des Ladendiebstahls herabzusetzen. MfG, Ihr Geschäftsführer."

Aber leider will Herr Rösler nur von unten nach oben umverteilen, auf keinen Fall jedoch von oben nach unten …

Donnerstag, 16. August 2012

Anderer Blick auf die Kuh


Dass Deutschland sich traditionell als Opfer fühlt, ist bekannt – neuerdings fühlt man sich als arme, immer nur gemolkene Milchkuh unter den europäischen Kühen … Dieser Artikel aus der Freitag ("Die Schmarotzer aus dem 'Club Med'", von Gabriela Simon) zeigt eine andere Sicht auf die Kuh, die auch gerne mal grast. Merci!

Dienstag, 7. August 2012

Zielgruppe verfehlt


Als ich neulich einen Artikel über personalisierte Werbung auf Facebook las, dachte ich: seltsam, bei mir ist keine personalisierte Werbung, das wäre mir aufgefallen, haben sie mich vergessen? Ich lenkte also den Blick auf die rechte Spalte, über die ich sonst flüchtig hinwegsehe, ohne sie zu lesen, und fand folgende Themen beworben:

Bauch-Beine-Herz (Quiz)
Bademode
Abnehmen
Antialterung
Abendkleider
Schuhclub (Abbildung: höchsthackige Schuhe)

(alternativ:
Schick zur Hochzeit
Singles)

Bestätigendes inneres Nicken meinerseits: also doch vergessen worden, nichts personalisiert hier, hat alles mit mir (aber sowas von) nichts zu tun!
Aber dann fiel mir ein ... dass das einzige Kästchen, das ich bei der Erstellung "meiner" Seite angekreuzt habe (und auch nur, weil ich eines der zwei zur Verfügung stehenden Kästchen ankreuzen musste), die Geschlechtszuordnung betraf. Mit anderen Worten: Für facebook bin ich eine Frau, und sonst gar nichts.
Wenn diese Werbung sich aber an das richtet, was facebook-Macher (ja, mit „ch“) für Frauen halten, dann schließe ich umgekehrt daraus: Ich bin keine Frau! (Was Monique Wittig an anderer Stelle längst festgestellt hat.)

Montag, 18. Juni 2012

Und das nächste folgt sogleich


(Man beachte die Farbwahl!)


Nun weiß ich also, dank des Kommentators (siehe voriger Artikel), dass Nike dahinter steckt. Aber ganz so viel Geld wollen sie offenbar nicht ausgeben, denn sooo flächendeckend ist das nun nicht plakatiert. Sieht eher aus wie „wir rufen ein paar Kumpels an und plakatieren ein wenig“. Soll es vermutlich auch. Aber das ist ein anderes Thema.

Freitag, 15. Juni 2012

Häme um der Häme Willen


Plakatierte Plakate lassen sich üblicherweise einer der folgenden Kategorien zuordnen: Werbung (meist), Politik (manchmal), Kunst (selten). Politik+Kunst+Sport+Ironie, dachte ich, als ich das Plakat „oh oh oh obrigado“ sah, und freute mich nicht nur über diese gelungene Kombination, sondern auch über portugiesische Sprache in deutscher Öffentlichkeit (sehr selten). In Deutschland lebende Portugiesen bedankten sich hiermit, so dachte ich, für die deutsche Besserwisserpolitik in Sachen Wirtschaft und Europa und ihre Implikationen für Portugal, bedankten sich auch, mit einen selbstironischen Augenzwinkern dafür, dass die seleção PT gegen die seleção DT verloren hat.


 Was das Hirn sich für Konstruktionen ausdenkt, nur um so etwas Ähnliches wie Logik herzustellen!
 
Gestern nun, ein Tag nach dem Spiel seleção NL gegen seleção DT stieß ich auf dieses Plakat, ich begriff meinen Irrtum und fand das überhaupt nicht mehr lustig.


Warum plakatiert man Plakate, die nichts anderes sagen als „Deutschland hat gewonnen“, wenn nicht aus Häme? Und war das Portugal-Plakat wenigstens noch originell, so ist das Niederlande-Plakat geschmacklos. Niederländische Niederlage Ausrufzeichen? Da war doch was, remember 1940? Und was skandieren deutsche Fans nach deutschen Toren im Stadion, dunkel und dumpf? Höre ich da „Sieg“? Ich bin gespannt, was sich die „Künstler“ noch so einfallen lassen, falls Deutschland weitere Spiele gewinnt. Dänemark wäre das nächste anvisierte Land …“Und morgen die ganze Welt“????








Dienstag, 12. Juni 2012

Zwei in einem


1) Auf der Zuschauertribüne des EM-Spieles, das ich mir im Fernsehen anschaute, saß einer: Eine Mischung aus Batman und Bankräuber mit Strumpf überm Kopf, ich erschrak und erinnerte mich daran, dass ich vor ein paar Monaten auf der Torstraße schon einmal so ein Wesen von weitem erblickt hatte. Außerirdische auf dem Vormarsch? Nein, second skin, zweite Haut oder auch Ganzkörperanzug nennt sich diese Mode – mir sträuben sich die Nackenhaare bei der Vorstellung, mir könnte Abends auf der Straße jemand in diesem Aufzug begegnen oder er/sie säße in der Kneipe mit mir an einem Tisch … Masken haben mit Uniformen gemeinsam, dass sie Verantwortungsgefühl fürs eigene Handeln in sich aufsaugen wie ein schwarzes Loch. Deshalb mag ich weder die einen noch die anderen.
Im Netz fand ich jede Menge Werbung, doch keine Informationen zu diesem Phänomen. Woher? Wie lange schon? Und vor allem: Warum? Während auf Facebook noch die belanglosesten, intimen Details aus dem Leben preisgegeben werden, geht man von nun an anonym in die Kneipe. Der Ort, an dem man ein Bild von sich für die Außenwelt schafft, wandert von draußen nach drinnen, vom öffentlichen in einen privaten Raum, der so tut, als sei er öffentlich ...

2) Apropos „So-tun-als-ob“: facebook ändert seine Nutzungsbedingungen, weil sich nicht genügend Nutzer an einer Abstimmung diesbezüglich beteiligt haben. Ich höre heute zum ersten Mal von dieser Abstimmung, dabei gehe ich mehrmals die Woche auf facebook. Und hätte ich davon erfahren: Ich hätte nicht abgestimmt. Seit wann ist facebook eine Genossenschaft, seit wann funktionieren privat geführte Unternehmen demokratisch? Können wir das bitte fein säuberlich trennen (und genau: auch keine Public Private Partnership)? Sonst kommt man am Ende noch auf die Idee, den Umkehrschluss zu ziehen: Öffentliche Institutionen und Staaten wie Privatunternehmen führen zu wollen. Was „am Ende“ (hoffentlich nicht Europas) bekanntlich längst geschieht. Die Austeritätspakete sind riesige Schaufelmaschinen von öffentlichem Gut in private Hände,  „Experten“ kommen ohne gewählt zu werden an die Regierung. Was willst du werden, wenn du groß bist? Expertin. Die Demokratie wandert … nicht von draußen nach drinnen, sondern aus, und auf ihren sowieso schon wackeligen Stuhl setzt sich Deus Oeconomicus mit seinem Talent zur Mimesis: Abstimmungen, neue Redefreiheit, BürgerNutzernähe …